Es ist ein Wackelndes Bild, welches die Aufnahme eröffnet. Eines, das es schwer macht, nur irgendetwas zu erkennen, das von der Linse eingefangen wird. Das starke Ruckeln beruhigt sich jedoch schnell, als das wie auch immer geartete Aufnahmegerät offensichtlich erfolgreich Halt in der dafür vorgesehenen Vorrichtung findet, und pendelt in leichten Bewegungen aus, während es in seinem Winkel angepasst wird. Während diesen Bildern wurde nur die Handinnenfläche der Person gefilmt, die das Gerät in den Händen hielt, beziehungsweise, die wohl die Aufnahme durchführt.
Schon als die Position der Kamera scheinbar zufriedenstellend ist, und die Hand sich in der Folge von selbiger entfernt, wird klar, wer hier die Botschaft aufzeichnet. Die Haare waren zwar aus ihrem Status der Millimeterrasur herausgewachsen und in dunklem Lila gefärbt worden, doch die Haltung und die von der Seite zu erkennenden Gesichtszüge identifizieren eindeutig den Purifier. Zane Levy.
Vom Luxuriösen Leben auf dem Rücken der fürstlichen Gehälter, die die größte Promotion des Landes ohne Frage zahlen kann, ist absolut nichts zu sehen. Der Hintergrund des Zimmers sieht ein wenig aus, als hätte man notdürftig vor dem Skype-Call mit den Eltern aufgeräumt. Und dabei die Hälfte vergessen.
Neben dem wohl ziemlich neuen, aber sichtlich zugerichteten Sofa, sind am Rande noch leere Getränkedosen und Kartons zu sehen, vereinzelt liegen Kleidungsstücke herum. Auf dem Sofa selbst steht eine halbleere Box mit Asiatischem Take-Away, sichtlich nicht erst seit gestern Abend.
Es ähnelt eher der Midlife Crisis eines Mannes, der gerade seinen Job verloren hat, als der Wohnung eines jungen aufstrebenden Wrestlers, der einen gigantischen Sieg im Rücken hat.
Der Gang während den gut vier, fünf Schritten von Kamera zu Couch wirkt ein wenig steif, ebenso die Bewegungen, mit denen Levy sich auf das Sofa setzt, die Schultern sinken lässt, die Arme auf die Knie legt und den Kopf halbwegs zu Kamera richtet – als würde er gegen eine Blockade in seinem Nacken ankämpfen.
Zane: „Fast zwei Monate. Zwei Monate seit Title Nights. Und mein Körper verweigert immer noch seinen Dienst. Ich brauche keine Krücken mehr, keinen Rollstuhl, bin erst recht nicht ans Bett gebunden. Nichts mehr von all den Sicherheitsmaßnahmen. Die Ärzt_innen haben mir wieder und wieder ins Gesicht geworfen, was für ein Wunder es doch ist, wie ich aus diesem Match herausgekommen bin. Dass ich Glück gehabt hätte. Schier unnatürliches Glück.“
Er schüttelt den Kopf, naja, oder eher bewegt ihn langsam von links nach rechts, als würde es testen, ob er dabei auch wirklich nicht kaputt geht.
Zane: „Aber es ist nicht genug. Ich heile nicht schnell genug. Ich bin nicht fit genug. Nicht stark genug. Aber ich habe mein Wort gehalten. Nur der Tod hätte mich stoppen können. Und Drake war noch schwächer, als ich es war. Naja. Das dachte ich.“
Hektisch beginnt er auf den Fingern seiner linken Hand herumzukauen.
Zane: „Als ich… Einige Tage nach dem Match das erste Mal wieder klar denken konnte zwischen den Schmerzen und den Medikamenten. Als ich an den Verbrennungen, den Wunden vorbeisehen konnte. Ist mir klargeworden, dass ich verloren hatte. Ich hatte das Match gewonnen, aber ich hatte vergessen, was ich besser wissen sollte, als jeder andere. Es gibt keinen Sieger in einem Krieg.“
Gedankenversunken beginnt die Linke nun mit ungeschickten Bewegungen den Nagellack von der Rechten zu kratzen. Der Kopf scheint herabhängend weniger Schmerzen zu bereiten, so dass die Augen zwischen den Händen und dem Boden hin und her gleiten. Die Stimme klingt matt.
Zane: „Uns wurde immer eingeimpft, dass es das alles wert sei. Ich habe mir eingeredet, dass Drake zu schlagen ein Akt der Befreiung wäre. Dass, egal, was mir dabei geschieht, es es wert sei. Für die Liga. Die anderen in der Liga. Die Fans. Seine Anhängerschaft. Ich habe wieder nach einem Platz für mich gesucht. Ich habe dabei wieder mich geopfert. Ich habe dabei wieder einen Krieg gekämpft. Und ich habe dabei wieder nicht gefunden, was ich gesucht hatte.“
Schwerfällig stützen sich beide Arme auf der Couch ab und hieven den gesamten Körper ein kleines Stück zurück, bevor Zane sich vorsichtig anzulehnen scheint. Neben ihm auf dem Sofa liegt eine Nackenkrause, doch die Stabilisierung scheint schlicht und ergreifend der Wille Zanes zu übernehmen.
Zane: „Ich hatte nicht eine Sekunde, in der ich mich über diesen Sieg freuen konnte. „Sieg“. Ich dachte, wenn ich Drake schlagen würde, wären all seine Lügen entblößt. Ihm all seine Magie genommen. Sein Wille gebrochen. Und ich frei. Ich könnte Titel gewinnen, Autogramme schreiben, in der Sonne liegen. Mein eigenes Leben führen. Es fühlt sich an, als hätte sich nichts geändert. Als wäre es… Vorbei. Aber ohne etwas zu bewirken. Als wäre das, was Drake ist unversehrt. Als wäre ich noch immer gefangen. Ich wollte in dieser Liga in die Zukunft gehen. Ich habe Drake geschlagen. Ich sollte alle Möglichkeiten offen haben, endlich nach vorne zu sehen, aber da ist nichts. Nur Leere.“
Fast schon manisch beginnt Zane zu lachen, während Tränen aus seinen Augen fließen.
Zane: „Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich hatte noch einmal etwas gefunden, für das es sich gelohnt hat zu leben. Zu kämpfen. Und wieder hat es nichts gebracht. Und noch schlimmer: Ich bin wieder genau das gewesen, zu dem Drake mich machen wollte. Ich kenne ihn. Er weiß es. Diese Niederlage wird ihn auffressen wie nichts zuvor. Aber er hat mich einmal mehr im Griff gehalten. Und ich es genossen. Der größte Unterschied ist, dass er nicht allein ist. Er nicht ohne Ziel sein wird. NEMESIS wird weiter wüten. Ich werde da sein, um sie zu stoppen. Vielleicht in zwei Wochen. Vielleicht in zwei Monaten. Aber ich werde da sein.“
Ein lautes, ein gequältes Schluchzen fährt ihm in die Worte, während sich das Lachen weiter seinen Weg bahnt.
Zane: „Vielleicht sieht er es auch ein, wie sinnlos es ist… Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht was geschieht. Mit ihm. Mit mir. Ich weiß nicht wohin. Ich weiß nicht, wer hier mehr verloren hat. Ich weiß nur, dass ich wohl nie dem Entkomme, was ich damals wurde, als Drake mich fand. Und dass das nie wieder jemandem passieren darf.“