Sonntag, der 13.07.2012


Die Kamera fängt ein Krankenzimmer ein. Ja, so ein richtig Generisches. Steril weiße Wände, an denen nichtssagende, kubistische Gemälde hängen, schwere, beige Stoffvorhänge vor den Fenstern und irgendwo steht noch eine hochgewachsene, baumartige Topfpflanze, die die Mittelmäßigkeit dieses Raumes noch mal untermauert. Auch die wenig geschmackvolle Einrichtung, deren Braunton im farblichen Einklang mit den zugezogenen Vorhängen ist, trägt zu der Aussagelosigkeit dieses Ortes bei. Und es nervt ihn schon jetzt… Gerade mal zwei Tage ist er hier und die Langeweile, die dieses Ambiente transportiert, geht langsam auf ihn selbst über. Der, der hier mit aufrechter Rückenlehne in diesem namenlosen Krankenzimmer liegt, ist niemand geringeres als Mac Müll, der GFCW-Veteran, der Interviewgott, der Hall of Famer.

Nachdem der beliebte Backstage-Reporter von Richard von Hansa, dem Münchner Corpsstudenten aus adligem Hause, durch den Ring geprügelt wurde, ließ Mac Müll, nachdem er zusammen mit Eric Fletcher die Halle verlassen hat, sich freilich von den GFCW-Ärzten durchchecken, um zu überprüfen, ob mit seiner körperlichen Verfassung auch alles in Ordnung sei. Zwar sprachen jene Ärzte zu dem Zeitpunkt davon, dass er theoretisch nicht von irgendwelchen schlimmeren Schäden ausgehen müsste, zur Sicherheit wollte man ihn aber noch wenige Tage im Krankenhaus behalten, um diese Prognose auch mit Bestimmtheit zu verifizieren.

Und nun liegt er hier und betrachtet mit halber Aufmerksamkeit eine Tierdoku über Seekühe… Die andere Hälfte der Aufmerksamkeit ist auf das Macbook auf seinem Schoß fokussiert, in dessen Browser mehrere Tabs mit verschiedenen Wrestlingseiten geöffnet sind. Einige Schlagzeilen von vereinzelten News auf diesen Wrestlingseiten drehen sich sogar um sein In-Ring-Debüt. Der Grundtenor ist im Großen und Ganzen sogar durchaus positiv. Fans schätzen den Mut des Reporters, gegen Richard von Hansa anzutreten, Andere äußern sich darüber, dass sie über die saubere Ausführung seines neuen DDT-Finishers erstaunt sind. Alles erfreuliche Nachrichten, die die Schmerzen seines geschundenen Körpers, gewissermaßen lindern. Aber dem Gesichtsausdruck von Mac Müll ist zu entnehmen, dass er ungern hier ist. Es ist nicht die Frustration über die Demütigung durch den adligen Verbindungsstudenten, es sind nicht mal die Schmerzen, es ist der Fakt, in diesem Bett verweilen zu müssen, ohne etwas tun zu können. Normalerweise wäre Mac Müll jetzt bei seiner Ehefrau und seinen beiden Sprösslingen, oder er würde sich in Vorbereitung auf die nächste Show in Arbeit stürzen aber einfach nur rumliegen? Nein, das ist nicht Mac Müll… Mac Müll ist ein Arbeitstier!

Immerhin war dieser einseitige Streit mit Richard von Hansa nun gegessen. Er würde sich in Zukunft zweimal überlegen, das Corps noch mal zu interviewen und sie würden ihn dafür hoffentlich in Ruhe lassen. Ein leidliches Seufzen entspringt dem Backstage-Reporter. Irgendwie muss er also bis morgen vormittag noch die Zeit totschlagen, dann würde er von den Ärzten die Gewissheit erringen, dass alles in bester Ordnung mit seinem Körper ist. Lustlos fährt Mac Müll mit seinem Zeigefinger über das Touchpad seines Macbooks und öffnet wie schon so oft die letzten Tage seine Twitterpage, als ihm der Atem stockt…





Der gebürtige Lüner reibt sich die Augen, um auch wirklich sicher zu gehen, dass das, was er da auf seinem Bildschirm liest auch der Realität entspricht. Nachdem sich aber selbst nach danach nichts an der Buchstabenzusammensetzung des Tweets geändert hat, kehrt das Leid in Mac Mülls Gesicht zurück. Am Liebsten würde er jetzt sofort einfach tot umkippen… Schon wieder gegen das Corps?! War die Tracht Prügel letzten Freitag nicht schon genug?! Seine Hand wandert zu dem Nachtisch neben seinem Krankenbett und greift nach dem Handy, das dort liegt. Dann wählt er darauf eine Nummer und wartet, dass jemand abnimmt, womit die Kamera ausfadet…