Die langjährige Auseinandersetzung um die sogenannte Intranet-Klausel im Urheberrechtsgesetz beschäftigt nun auch die Gerichte: Der Alfred Kröner Verlag hat die Fernuniversität Hagen wegen zu umfangreicher Veröffentlichung eines von ihm vertriebenen geschützten Werkes im Hochschulnetz verklagt. Laut Eingabe (PDF-Datei) der Stuttgarter an das Gericht hat die Universität ihren Studenten 91 von 476 Textseiten aus dem Lehrbuch "Meilensteine der Psychologie" über ihr Intranet kostenfrei elektronisch verfügbar gemacht. Dies gehe weit über die Grenzen von § 52a Urheberrechtsgesetz hinaus. Dieser besagt, dass Lehrer und Wissenschaftler "kleine Teile" von Werken einem "bestimmt abgegrenzten Bereich von Unterrichtsteilnehmern" in einem Intranet "öffentlich zugänglich" machen dürfen.
Der Verlag will nun grundsätzlich klären lassen, welche rechtlichen Vorgaben Bildungseinrichtungen beachten müssen, wenn sie urheberrechtlich geschützte Werke Auszubildenden für Forschung und Lehre online zur Verfügung stellen. Studenten hätten sich im Internet darüber ausgetauscht, dass angesichts der Veröffentlichung ganzer Kapitel durch die Fernuniversität eine Anschaffung des Fachbuchs nicht mehr nötig sei. Die Inhalte seien dabei nicht nur über eine eigene Lernplattform einsehbar, sondern seien auch auf eigene Speichermedien kopierbar gewesen. Einer Abmahnung seien die Hagener unter Berufung auf die gesetzliche Intranet-Klausel nicht nachgekommen. Den Streitwert der Klage schätzen die Anwälte des Verlags auf 76.580 Euro.
Der Börsenverein des deutschen Buchhandels begrüßte den Schritt der Stuttgarter. "Wenn wissenschaftliche Autoren und Verlage hochwertige Lehr- oder Fachbücher entwickeln und diese von den Hochschulen verwendet werden, sollten sie dafür auch gerecht vergütet werden", erklärte Karl-Peter Winters, Vorsitzender des Verlegerausschusses der Wirtschaftsvereinigung. Alles andere sei "eine Enteignung geistigen Eigentums unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit". Generell beklagt der Börsenverein, dass sich das Lehr- und Fachbuchgeschäft der Wissenschaftsverlage seit dem Inkrafttreten des umstrittenen Paragraphen im Jahr 2003 "dramatisch" verschlechtere. Problematisch für Autoren und Verlage sei auch, dass Bund und Länder trotz der im Gesetzestext verankerten Pflicht zur angemessenen Vergütung der Rechteinhaber bislang kein Geld für die Nutzungen von Lehr- und Fachbüchern gezahlt hätten.
Der Buchhandel erwartet nach der Entwicklung alternativer Lizenzmodelle, dass die Intranetvorschrift nach ihrem Auslaufen Ende 2012 "ersatzlos" gestrichen werde. Vereinigungen von Wissenschaft und Forschung halten sie dagegen weiterhin für elementar und drängen auf ihre Entfristung, da sonst "Medienbrüche" entstünden und die "netzgestützte Forschung und Lehre" behindert würde. Die Regelung abzuschaffen hieße vor allem, ältere Literatur von elektronischen Lehr- und Forschungsplattformen auszuschließen. (Stefan Krempl) / (anw)
Quelle: Heise.de