Auf der zweiten Informationsveranstaltung der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) haben sich heute Medienexperten, Pädagogen und Politiker über den umstrittenen neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) ausgetauscht. Dabei wies der KJM-Vorsitzende Wolf-Dieter Ring den Vorwurf der Zensur zurück. Die in dem Staatsvertrag vorgesehene Kennzeichnungen von Web-Angeboten sei schließlich freiwillig.

Die Novellierung des JMStV sieht vor, dass ab 2011 jeder Anbieter seine Webseiten auf jugendgefährdende Inhalte hin überprüfen und nach aus dem Filmbereich bekannten Altersfreigaben klassifizieren muss. Kathrin Demmler, Leiterin des Münchner Instituts für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, wies darauf hin, dass künftig erstmals Alterseinschätzungen auch für Texte verlangt würden. Dabei seien schon für die Bewertung der nach klassischem Jugendschutzrecht unter Beobachtung stehenden Inhalte – Kinofilme, Fernsehfilme und Computerspiele – psychologische Erfahrungen wichtig.

Möglicherweise sei es von privaten Telemedienanbietern viel verlangt, zu differenzieren, ob ihre Inhalte erst ab 6 oder 12 geeignet seien, räumte KJM-Stabstellenleiterin Verena Weigand ein. Es sei fraglich, inwieweit die laut Staatsvertrag vorgesehenen "Selbstklassifizierungen" denen der Selbstkontrolle im Gesamtsystem gleich gestellt werden könnten. Die Rechtsfolgen der unterschiedlichen Kennzeichnungen könnten durchaus verschieden sein – wer selbst klassifiziert, kann im Falle einer falschen Einstufung mit einem Bußgeld belegt werden.

Folker Hönge, Ständiger Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK), zeigte sich andererseits skeptisch gegenüber den im Staatsvertrag vorgesehenen Möglichkeiten, automatisiert Alterskennzeichen zu erstellen. Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia (FSM) arbeitet an einem System, das Internetanbietern das "Self-Labelling" schmackhaft machen soll. Medienpädagogin Demmler bezweifelt allerdings, ob es mit Hilfe automatisierter oder selbst ausgedachter Alterskennzeichen eine einheitliche Einstufung von Inhalten geben wird.

Die in den vergangenen Tagen als Reaktion auf die Novellierung angekündigten Schließungen privater Blogs gehen laut Ring auf das Konto derer, "die keinen Jugendschutz im Internet wollen". Diese Blogger verkennten, dass sie schon nach dem bisher geltenden JMStV dann zu Maßnahmen verpflichtet seien, wenn diese für Jugendliche ab 16 schädlich sein könnten, sagte Claus Grewenig, Geschäftsführer beim Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT). Klaus-Peter Potthast, Rundfunkreferent der Bayerischen Staatskanzlei, bewertete Empfehlungen, erst einmal abzuwarten und nicht zu kennzeichnen, als einen "Boykottaufruf". Die Staatskanzlei wolle mit guten Beispiel vorangehen und die eigenen Inhalte im Internet altersmäßig einstufen. Er gehe davon aus, dass sie ohne Altersbeschränkung angeboten werden könnten. (Monika Ermert) / (anw)

Quelle: Heise.de