39 Prozent der europäischen Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 9 und 16 Jahren sind bereits mit den Schattenseiten des Internet in Berührung gekommen. Das ist eines der Kernergebnisse der Studie "EU Kids Online" (PDF-Datei), die die EU-Kommission am gestrigen Freitag im Umfeld des "Safer Internet Forum" in Luxemburg veröffentlicht hat. Die hier betrachteten Online-Risiken betreffen ein sehr breites Spektrum, zu dem Pornographie, unerwünschte sexuelle Nachrichten oder Bilder, aber auch Cybermobbing sowie der Missbrauch persönlicher Daten gehören.
Nur bei jedem achten Kind sollen entsprechende Konfrontationen jedoch tatsächlich zu verstörenden Erfahrungen geführt haben. Noch niedriger ist diese Rate, wenn man nur die Gruppe der Neun- bis Zehnjährigen betrachtet: Hier sprechen nur neun statt zwölf Prozent der Befragten von eigenen negativen Erfahrungen. Die große Mehrheit der jungen Surfer sah den Forschern zufolge noch keinen Anlass, über Erlebnisse im Netz zu klagen, die sie unangenehm berührt oder verletzt hätten.
Das mit der Analyse betraute Forschungsnetzwerk, das vom Institut für Medien und Kommunikation der London School of Economics and Political Science (LSE) koordiniert wird, befragte für die Untersuchung 23.420 repräsentativ ausgewählte Kinder und Jugendliche in 25 europäischen Ländern im häuslichen Umfeld. Im Vergleich zeigte sich, dass insbesondere die Bewohner Estlands, Litauens, Tschechiens und Schwedens bereits zu rund zwei Dritteln mit Online-Risiken konfrontiert waren. Besonders selten waren entsprechende Erfahrungen hingegen in der Türkei, in Portugal und in Italien. Dass die Konfrontationen mit negativen Erfahrungen verbunden waren, berichteten am häufigsten die Befragten in Dänemark (26 Prozent), Estland (25 Prozent), Rumänien und Schweden (je 21 Prozent), besonders selten hingegen junge Internet-Nutzer in Italien, Portugal und Deutschland mit einer Häufigkeit zwischen sechs und acht Prozent.
"Deutsche Kinder nutzen das Internet seltener und weniger vielfältig", erläuterte Uwe Hasebrink, Direktor des Hans-Bredow-Instituts für Medienforschung in Hamburg und Leiter des deutschen Forschungsteams, das an der Studie beteiligt ist, die Zahlen. "Damit sind sie weniger gefährdet, nutzen aber auch die Chancen des Internet nur in begrenztem Maße." Eltern seien sich häufig der Gefahren nicht bewusst und wüssten nicht, was ihr Kind online tut, warnt der Experte: So behaupte etwa die Hälfte der Eltern jener Kinder, die bereits online gemobbt wurden, ihrem Kind wäre Derartiges noch nicht passiert. 61 Prozent der Eltern, deren Kinder bereits Online-Kontakte offline getroffen haben, seien überzeugt davon, dass ihre Sprösslinge das noch nicht getan hätten. Insbesondere jüngere Kinder hätten ferner Probleme, mit belastenden Erfahrungen umzugehen. Künftige Maßnahmen zur Förderung eines sicheren Umgangs mit dem Internet sollten sich laut Hasebrink daher insbesondere an diese Gruppe richten.
Ein anderes Resultat ist, dass Kinder in Europa durchschnittlich im Alter von 7 Jahren beginnen, das Internet zu nutzen. Nur eines von drei Kindern im Alter von 9 bis 12 Jahren findet aber, dass dort genug "gute Sachen" für Nutzer ihres Alters zu finden sind. In den skandinavischen Ländern, Estland, den Niederlanden und Großbritannien gehen die Kinder am frühesten ins Netz; in Österreich, Griechenland, Italien, Portugal und Rumänien später. Die Hälfte der Befragten ist täglich für durchschnittlich eineinhalb Stunden online. Die 15- bis 16-Jährigen sind noch intensivere Nutzer: 77 Prozent von ihnen begeben sich täglich in den Datenraum.
Die jungen Internet-Nutzer gaben an, dass sie das Netz hauptsächlich für Schularbeiten oder zum Anschauen von Videos nutzen. Spiele und Chat-Kommunikation rangieren als nächstbeliebteste Online-Aktivitäten. 57 Prozent der Neun- bis 16-Jährigen haben ein Profil in einem sozialen Netzwerk, darunter 24 Prozent der Neun- bis Zehnjährigen. "Social Networking" ist insbesondere bei Kindern und Jugendlichen in den Niederlanden (78 Prozent), Slowenien (76 Prozent) und Litauen (75 Prozent) beliebt, in Rumänien und in der Türkei deutlich weniger mit jeweils 47 Prozent. 30 Prozent der Elf- bis 16-Jährigen haben nach eigenen Angaben an sich bereits Symptome für eine "exzessive Internetnutzung" beobachtet wie zielloses Surfen, weniger Zeit für Freunde, Familie oder Schulaufgaben sowie Nervosität, wenn sie einmal nicht online gehen können. Die EU will im kommenden Jahr ein Projekt mitfinanzieren, dass bessere Erkenntnisse zu diesem Problem verschaffen soll. (Stefan Krempl) / (psz)
Quelle: Heise.de