Keiner kommt hier "billig vom Acker" – bei VIAG Interkom (heute O2) wusste man schon am ersten Tag der Versteigerung, dass die begehrte Lizenz für das UMTS-Mobilfunknetz nur für viel Geld zu haben ist. Am 31. Juli 2000 versammelten sich die Vertreter von sieben Telekommunikationsunternehmen zur Verteilung der verfügbaren Frequenzen bei der damaligen Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP, heute Bundesnetzagentur) in einer alten Kaserne im Mainzer Stadtteil Gonsenheim. Erst zehn Jahre später zeichnet sich ein Durchbruch für das mobile Internet ab – Bitkom-Präsidiumsmitglied René Schuster, Vorstandschef von Telefonica O2 in Deutschland, spricht von einer "Erfolgsgeschichte mit Anlaufzeit".

Fast drei Wochen lang wurde damals gepokert, bis das Ergebnis am 18. August feststand: Sechs Unternehmen sicherten sich die begehrte Lizenz für die mit großen Hoffnungen verbundene Zukunftstechnik. Der Bundesfinanzminister freute sich über einen Geldsegen von umgerechnet rund 50 Milliarden Euro. Aber der Einstieg ins mobile Internet begann danach schleppend. Weitere zweistellige Milliardenbeträge waren für den Aufbau des neuen Mobilfunknetzes nötig. Die Anbieter gaben die hohen Kosten an die Verbraucher weiter. Und diese machen deswegen zum Teil bis heute einen weiten Bogen um die Datentarife.

Die UMTS-Versteigerung unter der Ägide der RegTP führte die Branche in einen tiefen Umbruch. Zwei der damaligen Mobilfunkanbieter (Mobilcom und Group 3G) mussten ihre Lizenzen später wieder aufgeben. Vier sind bis heute übrig geblieben: Die Deutsche Telekom, Vodafone, E-Plus und das aus VIAG Interkom hervorgegangene Unternehmen O2. Mobilcom, die gemeinsam mit France Telecom ursprünglich große Pläne für den Aufbau eines eigenen Mobilfunknetzes in Deutschland hatte, trennte sich im Streit von dem französischen Konzern – was Mobilcom fast in die Pleite trieb –, beschränkte sich auf Dienstleistungen als Mobilfunk-Serviceprovider und ging schließlich in der Freenet AG auf. Die Group 3G (ein Konsortium, an dem die spanische Telefonica und die finnische Sonera beteiligt waren) stellte ihren glücklosen Versuch, mit Quam eine neue Mobilfunkmarke in Deutschland zu etablieren und ein eigenes Netz aufzubauen, bald ganz ein. Seine UMTS-Lizenz wurde dem Unternehmen dann von der Regulierungsbehörde entzogen.

"Im Nachhinein hat sich gezeigt, dass der Preis für die Lizenz nicht so ganz passend war", sagt Guido Heitmann von E-Plus. "Das waren andere Zeiten damals." Immerhin bewegte man sich Mitte 2000 noch auf dem Höhepunkt der New Economy, die Internet-Blase platze aber schon wenige Monate später. Es sei nicht denkbar gewesen, sich von der UMTS-Versteigerung fernzuhalten, meint Heitmann. Nach dem Sommer 2010 dauerte es fast vier Jahre, bis die Basisstationen für das UMTS-Netz standen und die schnelle mobile Internetverbindung Wirklichkeit wurde – zuerst meist mit dem Mittel einer PC-Karte, die ins Notebook eingesteckt wurde. Bis Herbst 2004 kamen dann auch immer mehr UMTS-Handys heraus, die ersten noch ziemlich klobig und nicht besonders smart.

Erschwert wurden die ersten Jahre im mobilen Internet von der Suche nach einer "Killerapplikation": Welche Angebote können für die Verbraucher so verlockend sein, dass die Milliarden wieder hereingeholt werden? Als Kandidaten wurden schon vor zehn Jahren Anwendungen genannt, die auch heute noch eine Rolle spielen: Musik, Spiele, Filme und Community, also der Austausch mit Freunden. Doch lange Zeit steuerte die Branche im Blindflug ins mobile Internet: "Wir haben in einen Markt investiert, von dem wir nicht wussten, wie er aussehen wird", erinnert sich Heitmann.

"Um das Jahr 2005 kam dann die Trendwende", erklärt O2-Chef Schuster. Letztlich war es die Kombination von Software und Hardware, die dem mobilen Internet den entscheidenden Schwung gab. Wichtige Impulse lieferte ab 2002 RIMs Blackberry und ab 2007 das iPhone von Apple. Auf einmal schien es ganz einfach, mit einem Smartphone ins Internet zu gehen, Informationen abzurufen, E-Mails zu lesen und Anwendungen zu nutzen, die auf das Netz zugreifen. "Ohne UMTS hätte es den Datenmarkt nie gegeben", sagt E-Plus- Sprecher Heitmann. "Aber eigentlich kommt der Markt erst jetzt richtig in Schwung, zehn Jahre später. Der Durchbruch zum Massenmarkt im mobilen Datengeschäft ist in Sicht." Ohne die neuen Smartphones, die leistungsfähige Hardware, einfache Touchscreen-Bedienung und eine ausgeklügelte Software-Infrastruktur aus Betriebssystem, Apps und App-Stores wäre auch trotz UMTS-Netzen kein boomendes mobiles Internet gewachsen.

Die UMTS-Netze erreichen je nach Betreiber 59 bis 81 Prozent der Bevölkerung, in der Fläche gibt es eine Abdeckung von insgesamt etwa 70 Prozent. In den Netzen tummeln sich nach Angaben der Bundesnetzagentur rund 26 Millionen UMTS-Geräte, Ende 2009 nutzten 19 Millionen Teilnehmer regelmäßig UMTS, mehr als doppelt so viel wie zwei Jahre zuvor. Das "Universal Mobile Telecommunications System", wie die Abkürzung aufgelöst wird, ermöglichte zunächst eine Datenübertragung bis maximal 384 Kilobit in der Sekunde. Noch schneller wird es mit der UMTS-Beschleuniger Technik HSPA (High Speed Packet Access) – sie bietet Übertragungsraten bis 3,6 oder 7,2 Megabit pro Sekunde – und HSPA+ liefert bis zu 21 oder 42 MBit/s.

Inzwischen ist bereits der UMTS-Nachfolger in Reichweite: Der Standard "Long Term Evolution" (LTE) verspricht Geschwindigkeiten bis 300 Megabit pro Sekunde. Die Versteigerung von Lizenzen für Funkfrequenzen, die im Rahmen der "Digitalen Dividende" frei wurden, ging im Mai sehr viel stiller über die Runden. Die Frequenzen sollen aber nach dem Willen der Politik vor allem dazu genutzt werden, um Lücken in der Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft mit Breitband-Internet-Anschlüssen vor allem in ländlichen Regionen zu schließen; sie werden nicht zwangsläufig für LTE genutzt. Die deutschen Netzbetreiber haben für die Lizenzen zusammen gerade mal 4,4 Milliarden Euro ausgegeben, noch nicht einmal ein Zehntel der Ausgaben für die UMTS-Lizenzen; Telefónica-O2 beispielsweise hatte direkt nach der Versteigerung den Aufbau eines LTE-Netzes mit den neuen Frequenzen angekündigt.

Damals wie heute gilt aus Sicht der Bundesnetzagentur: "Wenn die Nachfrage größer ist als das Angebot an verfügbaren Frequenzen, dann ist die Versteigerung das gesetzliche Regelverfahren." Auf diese Weise, so erklärt Behördensprecher Cord Lüdemann, "werden die leistungsfähigsten Anbieter ermittelt".Die ersten LTE-Netze sollen bis Ende des Jahres verfügbar sein, die Deutsche Telekom will voraussichtlich Anfang nächsten Jahres einen USB-Stick dafür anbieten. Aber UMTS wird parallel dazu noch lange Zeit Bestand haben.

Vodafone etwa erwartet, dass UMTS auch nach der geplanten Einführung des noch schnelleren Standards LTE weiter Bestand haben wird. Mit LTE werde das Internet für alle und in der Fläche Realität, erklärte der Deutschland-Chef von Vodafone, Fritz Joussen. Aber "UMTS und LTE ergänzen sich". "Die Bandbreiten werden steigen und unser Leben durchweg mobil in der Kommunikation", erklärte Joussen. "Dafür rüsten wir uns – mit neuen Frequenzen und der nächsten Hightech-Technologie."

"Frequenzen sind unser Rohstoff", antwortete Joussen auf die Frage, ob die Ersteigerung der UMTS-Frequenzen die Erwartungen erfüllt habe. "Mit UMTS wurde das Telefon zum Smartphone, das Internet mobil." Inzwischen lieferten die mobilen Datendienste einen Beitrag von mehr als einer Milliarde Euro zum Jahresumsatz von Vodafone in Deutschland, bei zweistelligen Wachstumsraten im Jahr.

Die Verbraucher dürfen hoffen, dass die Mobilfunkbetreiber aus den vergangenen zehn Jahren gelernt haben und günstige Tarife anbieten. Zwei von drei Handy-Besitzern (67,9 Prozent) verzichten auch heute noch wegen hoher Kosten auf die Internet-Nutzung mit dem Mobiltelefon – so das in dieser Woche veröffentlichte Ergebnis einer Umfrage der Marktforscher Fittkau & Maaß. Die Mehrheit der Bevölkerung aber steht dem mobilen Internet immer noch kritisch gegenüber. (Peter Zschunke, dpa, Jürgen Kuri) / (jk)

Quelle. Heise.de