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Thema: Hellmut Krug zu den Leistungen der WM-Schiedsrichter ...

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    Hellmut Krug zu den Leistungen der WM-Schiedsrichter ...

    ... "Wer kleinlich pfeift, dem fehlt Mut"

    Irreguläre Tore, nicht gegebene Handelfmeter - Entscheidungen, die in der K.o.-Phase Sieg oder Niederlage bedeuten können. Ex-FIFA-Schiedsrichter Hellmut Krug sprach mit WDR.de über die Leistungen der WM-Schiedsrichter.

    Am Samstag (26.06.10) beginnt die K.o.- Phase der WM. Viele Mannschaften kommen vorbelastet aus der Gruppenphase, allein bis Freitag verteilten die Schiedsrichter sechs Rote, sechs Gelb-Rote und über 160 Gelbe Karten. Auch die uneinheitliche Leistung der Schiedsrichter ist seit Tagen in der Diskussion.
    ARD-Schiedsrichterexperte Hellmut Krug; Rechte: dpaBild vergrößern

    Der gebürtige Gelsenkirchener Hellmut Krug (53) ist zurzeit als Regelfachmann für die ARD in Südafrika. Im Alter von 16 Jahren startete er seine Karriere als Unparteiischer. Er pfiff insgesamt 204 Bundesliga-Spiele, für die FIFA leitete er Spiele bei der WM 1994 und der EM 1996. Dreimal wurde Krug zu Deutschlands Schiedsrichter des Jahres gewählt. 2003 hörte er als Aktiver auf, und seit der WM 2006 ist er Regelexperte der ARD.

    WDR.de: Herr Krug, bei großen Turnieren sind die Schiedsrichter in einem sogenannten Basislager einquartiert. Sprechen die Kollegen dort untereinander über ihre Leistungen?

    Hellmut Krug: Natürlich wird da untereinander gesprochen, das ist ja ganz normal. Im Prinzip sind die 29 Schiedsrichter wie eine weitere Mannschaft dieser Weltmeisterschaft. Und auch hier schaut jeder Einzelne darauf, welche Leistungen die Kollegen abliefern. Die Leistungen werden selbstverständlich auch diskutiert. Dazu kommt immer auch eine theoretische Nachbereitung der Spiele mit Mitgliedern der Schiedsrichterkommission. Die Kommission ist ja nicht nur für die Auswahl der Referees verantwortlich, sondern auch für deren Ausbildung und Betreuung während der WM. Die Schiedsrichter haben tägliches Training, sowohl physisches Training als auch einen theoretischen Teil, bei dem unter anderem die vergangenen Spiele diskutiert werden.

    WDR.de: Warum werden die Spiele trotz der täglichen Theorie-Stunden für die Schiedsrichter so uneinheitlich gepfiffen?

    Krug: Man kann ja innerhalb von vier Wochen keinen Schiedsrichter neu schaffen oder umformen. Die Schiedsrichter verfügen alle über große Erfahrungen und haben im Laufe ihrer Karriere einen eigenen Stil entwickelt. Dazu kommt eine unterschiedliche Leistungsfähigkeit, die wesentlich durch den unterschiedlichen Stellunenwert des Fußballs in den Ländern und auf den Kontinenten bestimmt wird. Im Vergleich: Auf den Seychellen hat der Fußball bei Weitem nicht die Bedeutung, die er in Mitteleuropa hat. In Europa sind Vereine Wirtschaftsunternehmen und haben teilweise eine ungeheuer große Bedeutung für ganze Regionen. Das spüren die Schiedsrichter, der Druck ist größer, sie sind stärker gefordert. Dadurch sind sie auch qualitativ besser als ein Großteil derer, die aus kleineren Fußball-Ländern kommen.

    Allerdings dürfen wir jetzt auch nicht den Fehler machen und mit dem Finger auf die kleinen Kontinentalverbände zu zeigen und zu sagen, dass deren Schiedsrichter grundsätzlich schwächer sind. Es war leider auch der Fall, dass auch Schiedsrichter aus Europa keine gute Leistung abgeliefert haben.

    WDR.de: Sind die Voraussetzungen bei den kleinen Kontinentalverbänden so anders?

    Krug: Zwar leiten diese Schiedsrichter wie alle anderen auch internationale Spiele, WM-Qualifikationsspiele zum Beispiel. Aber diese Großereignisse sind für sie einfach zu selten, die Möglichkeit, Erfahrung in dieser Hinsicht zu sammeln, ist meines Erachtens nicht ausreichend. Schiedsrichter müssen ständig gefordert sein, um sich so zu entwickeln, dass sei den Ansprüchen auch in großen Spielen gewachsen sind.

    WDR.de: Wie sollte ein Schiedsrichter am besten mit einem Spiel umgehen?
    Schiedsrichter Wolfgang Stark; Rechte: dpaBild vergrößern

    Krug: Er sollte das Spiel auf sich zukommen lassen und mit den geeigneten Maßnahmen reagieren. Vieles auf dem Platz läuft intuitiv ab, das hat wesentlich mit Erfahrung zu tun. Geeignete Maßnahmen bedeutet beispielsweise nicht zwnagsläufig, dass schnell Karten gezogen werden. Vielmehr sollte in einer kritischen Situation, die nicht zwingend eine Karte erfordert, ein guter Schiedsrichter durch Körpersprache, Ansprache, Gestik, Mimik und über seine Persönlichkeit den Spielern klarmachen, wie er sich den Spielverlauf vorstellt. Handelt es sich um ein Foul, das die Gesundheit des Gegenspielers gefährdet, dann muss der Schiedsrichter rigoros durchgreifen. Genau das muss er abwägen und erspüren.

    WDR.de: Und wie sollte ein Schiedsrichter ein Spiel nicht leiten?

    Krug: Jedenfalls nicht, indem er in den ersten 30 Minuten schon eine Flut von Gelben Karten zeigt, wenn sie nicht erforderlich sind. Ein Schiedsrichter, der unsicher ist oder keine hohe Qualität mitbringt, versucht häufig, das Spiel klein zu halten. Er wird früh eingreifen und das Risiko scheuen, das Spiel laufen zu lassen, es sich erstmal entwickeln zu lassen. Womöglich befürchtet er, dass das Spiel eine Eigendynamik entwickelt, dass sich eine Aggressivität entwickelt, der er möglicherweise nicht mehr Herr wird. Also wird er das Spiel kurz halten und kleinlich pfeifen, weil es ihm an Mut und Persönlichkeit fehlt, an Eigenschaften also, die unabdingbar für Schiedsrichter auf dieser Ebene sind und die andere Schiedsrichter mitbringen. Und dieser Schiedsrichter wird dann auch sehr schnell, als nächste Instanz, zu persönlichen Strafen greifen.

    Persönliche Strafen sollen ja auch Wirkung zeigen, viele verkennen aber, dass diese Wirkung verloren geht, wenn wegen unbedeutender Kleinigkeiten, wegen harmloser Fouls Karten gezeigt werden. Der Schiedsrichter ist für die Spieler dann nicht mehr berechenbar. Im Ergebnis sind die Spieler unzufrieden mit der Spielleitung. Zudem können solche Entscheidungen und die Unzufriedenheit den Spielverlauf prägen. Natürlich sollte ein Schiedsrichter den Spielverlauf auch prägen, aber in Hinsicht aufs Fairplay, niemals aber auf negative Art und Weise.

    WDR.de: Wie kommt es, dass bei einer Weltmeisterschaft so ein Qualitätsgefälle bei den Schiedsrichtern besteht?

    Krug: Die Schiedsrichter werden in ihren Ländern nach bestimmten Kriterien begutachtet und ausgewählt. Nach diesen Kriterien genügen sie den Ansprüchen ihres Landes oder Kontinentalverbandes, das heißt, sie sind die Besten auf ihrem Kontinent. Das heißt jedoch nicht, dass sie wirklich zu den Weltbesten gehören oder den Ansprüchen genügen, die wir bei einer WM erheben müssen. So ist die logische Folge, dass die Schiedsrichter zu Beginn eines Turniers unterschiedliche Qualitäten aufweisen. Und das sollte nicht der Fall sein, eigentlich sollten nur die Weltbesten vor Ort sein.

    WDR.de: Der DFB fordert ein Umdenken der FIFA die Nominierungsrichtlinien betreffend. Wie sehen Sie das, was würden Sie der FIFA raten?

    Krug: Der DFB hat vollkommen recht. Die Auswahlkriterien müssen dringend überdacht werden. Einfaches Beispiel: Warum haben wir als eines der fußballstärksten Länder mit 80.000 Schiedsrichtern nur einen Schiedsrichter bei der Weltmeisterschaft dabei? Andere Länder wie Mexiko, Uruguay und Neuseeland haben zwei Schiedsrichter dabei. Bei allen vergangenen Weltmeisterschaften gab es das Problem, dass man am Ende der Vorrunde feststellte, dass die Schiedsrichter nicht durchgängig den Erfordernissen einer WM genügen. Genau dieses Problem haben wir jetzt auch. Die Qualität scheint bei der Auswahl nicht allein oberstes Kriterium zu sein. Es ist klar, dass auch andere Länder bedacht werden müssen. Wenn allerdings sämtliche Kontinentalverbände entsprechend eines vorgegebenen Schlüssels berücksichtigen werden, muss man von vornherein qualitative Einschränkungen in Kauf nehmen.

    WDR.de: Werden die Schiedsrichter denn nicht einheitlich ausgebildet und nach bestimmten Kriterien ausgewählt?

    Krug: Die Grundlage für die Leistung der Schiedsrichter wird weit im Vorfeld einer WM geschaffen. Die Schiedsrichter haben unter anderem an Lehrgängen der FIFA teilgenommen, wurden interaktiv geschult. Bereits 2008 ist eine Vorauswahl von 38 Schiedsrichtern getroffen worden, aus denen 29 Schiedsrichter für die WM ausgewählt wurden. Das Problem ist einfach, dass es keinen einheitlichen Leistungsstand gibt. Zwar wird mit den Schiedsrichtern gearbeitet, aber überwiegend im eigenen Land, an die dortigen Gegebenheiten angepasst. Und in jedem Land sind die Spielweisen und Spielphilosophien unterschiedlich. Die Einheitlichkeit, die angestrebt wird, kann so nicht gewährleistet werden.

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    WDR.de: Wie könnte dies geändert werden, welche Möglichkeiten gibt es Ihrer Meinung nach?

    Krug: Eine schwierige Frage, da die Organisation sicher schwierig ist. Meines Erachtens müsste der Auswahl-Pool an Schiedsrichtern aufgestockt werden, also mehr zur Auswahl und zur Beobachtung stehen, um wirklich die Besten herauszufiltern. Jeder einzelne Schiedsrichter, der als Kandidat in Frage kommt, muss über mindestens zwei Jahre intensiv begleitet werden. Und zwar, indem sich eine Person, ein ausgewiesener Fachmann, mit diesem Schiedsrichter beschäftigt. Sämtliche Spiele müssen von dieser Person nach Möglichkeit analysiert, in die Leistungsentwicklung des Schiedsrichters eingeordnet und gemeinsam mit dem Schiedsrichter erörtert werden. Stärken und Schwächen müssen dem Schiedsrichter klar sein, ebenso in welche Richtung er sich verbessern muss. Nur auf diese Weise kann meiner Meinung nach gewährleistet sein, dass ein Schiedsrichter schließlich für eine Weltmeisterschaft geeignet ist.

    WDR.de: Wie stehen Sie zu der aktuellen Diskussion über die Schiedsrichter?

    Krug: Sie ist leider nicht unberechtigt aber es darf oder zumindest sollte einfach nicht sein, dass mehr über die Leistungen der Schiedsrichter gesprochen wird als über den Sport selbst. Bei der WM sollte es doch in erster Linie um Fußball und nicht um Schiedsrichter gehen. Wenn die Schiedsrichter derartig in den Vordergrund rücken, dann ist etwas schief gelaufen.

    Es gibt einen Spruch, der besagt, dass der beste Schiedsrichter der ist, den man gar nicht bemerkt. Oder in der momentanen Situation, derjenige, über den man nach dem Spiel nicht spricht. Genau das sollte immer Ziel und Ansinnen eines Schiedsrichters sein.

    WDR.de: Nun waren aber auch nicht alle Schiedsrichter schlecht. Wer war denn für Sie die größte positive Überraschung?

    Krug: Der usbekische Schiedsrichter Ravshan Irmatov, der das Eröffnungsspiel gepfiffen hat. Für mich die absolute Überraschung des Turniers. Ich hatte auch zuerst gedacht, dass es problematisch ist, einen so jungen unbekannten Schiedsrichter für das Eröffnungsspiel zu nominieren. Aber er hat das fantastisch gemacht. Seine Spiele hat er bisher ausnahmslos sehr gut geleitet. Trotz seines jungen Alters hat er die Erfahrung und das Standing, ein Spiel souverän zu leiten. Daran kann erkennen, dass natürlich auch andere Kontinentalverbänden über wirklich gute Schiedsrichter verfügen.

    Das Interview führte Malisa Pfeifer.

    Quelle: WDR.de

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