Gebraucht-Software: Handel verbieten ist einfacher als Regelungen zu gestalten
Im Februar will der Bundesgerichtshof eine Entscheidung zum Thema Handel mit Gebrauchtsoftware treffen. Heise resale sprach mit Thomas Huth, CEO von UsedSoft, dem Händler, der sich in diesem Zusammenhang mit Oracle vor Gericht trifft.
Herr Huth, der Bundesgerichtshof muss darüber entscheiden, ob usedSoft Oracle-Software auch ohne Zustimmung Oracles weiterverkaufen darf, wenn diese online in Verkehr gebracht wurde. Alle hatten auf ein zeitnahes Urteil gehofft, nun wurde die Entscheidung erst für den 3. Februar 2011 angekündigt. Sind Sie enttäuscht?
Usedsoft-CEO Thomas Huth
Bild: usedSoft
Thomas Huth: "Sicher hätte auch ich mich über eine zeitnahe Klärung dieser Frage gefreut. Viel wichtiger ist mir jedoch, dass der BGH die Verkehrsfähigkeit von Standardsoftware unabhängig vom Vertriebsweg grundsätzlich und umfassend klärt. Auf diese Weise würde es den Herstellern endlich verwehrt, die Anwender durch den Einsatz neuer Lizenzmodelle oder Vertriebswege, wie dem Online-Vertrieb oder der Vorinstallation, zu verunsichern. Sowohl die Vertagung der Entscheidung als auch die Einführung in die Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter machten deutlich, dass es dem Gericht um die Schaffung klarer rechtlicher Rahmenbedingungen geht und dass dem Senat auch die wirtschaftliche Bedeutung dieser Entscheidung bewusst ist. Hier sind in der Vergangenheit durch die vollkommen unverständliche Privilegierung der Softwarehersteller durch einige Instanzgerichte die Interessen der Softwarekäufer deutlich zu kurz gekommen."
Aber ist die weiterhin bestehende Rechtsunsicherheit nicht schlecht fürs Geschäft?
Thomas Huth: "Zunächst hat sich an der bisherigen Situation nichts verändert. Es existiert bereits ein funktionierender 'Gebraucht'-Softwaremarkt. Auch die Bundesjustizministerin, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, hat erst kürzlich wieder bestätigt, dass der Handel mit "gebrauchter" Software grundsätzlich rechtmäßig ist. Nach unserer Erfahrung sind sich insbesondere große Marktteilnehmer der Tatsache bewusst, dass ihnen der Handel mit einmal gekauften Standardsoftwareprodukten nicht verboten werden kann. Von der anstehenden BGH-Entscheidung erwartet man sich auch im Markt lediglich die Klarstellung, dass dies auch dann ohne Zustimmung des Herstellers der Fall ist, wenn die Softwareprodukte erstmals online in Verkehr gebracht wurden."
Aber es ist doch vor allem der Nutzer, der die Ware bei Ihnen einkauft, der das juristische Risiko trägt. Denn er muss beweisen, dass er eine rechtmäßige Lizenz der Software besitzt. Kann er das denn? Wie genau lösen Sie dieses Problem in der Praxis?
Thomas Huth: "Die mögliche Notwendigkeit, den Nachweis für die einzelnen Übertragungsvorgänge zu führen, ist seit Gründung der usedSoft ein zentrales Thema. Unser System beinhaltet daher die Hinterlegung sämtlicher Nachweise bei einem Schweizer Notar, der diese Hinterlegung unseren Kunden gegenüber bestätigt. Im Bedarfsfall sind diese Beweismittel daher jederzeit verfügbar und auch gegen zufälligen Untergang zuverlässig geschützt.
Der Umfang der Nachweispflicht ist übrigens rechtlich nicht eindeutig geklärt. Ob zum Beispiel die Preisgabe des Ersterwerbers tatsächlich dazugehört, wird vor dem Hintergrund neuer EuGH-Rechtsprechung sehr kritisch gesehen. Die Gefahr, dass die Hersteller den Ersterwerber einfach nicht mehr weiter beliefern und so den 'Gebraucht'-Softwarehandel faktisch unterbinden, wäre zu groß. Die Nachweisproblematik besteht bei unseren Kunden daher nicht."
Tatsächlich lässt sich das Problem dem "Otto Normalverbraucher" kaum vermitteln: ihm redet BMW schließlich auch nicht mehr rein, wenn er sein Fahrzeug nach ein paar Jahren wieder verkaufen will. Wieso ist der Verkauf von gebrauchter Software dann so kompliziert?
Thomas Huth: "Das ist ein ganz wichtiger Punkt: Verantwortlich für die Problematik sind vor allem die Hersteller. Ihnen nutzt die 'nebulöse' Lage am meisten. Dabei nutzen sie aus, dass die Gesetzgebung Schwierigkeiten hat, mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten. Sie entwickeln immer neue Lizenzmodelle, von denen sie dann jeweils behaupten, dass es sich um einen Sonderfall handele. Die Anwendung der alten Vorschriften durch die Rechtsprechung klingt dann bisweilen sehr kompliziert. Am Ende kann aus meiner Sicht daher das einzige Ergebnis sein, dass Standardsoftware als das anerkannt wird, was sie ist: nämlich ein Investitions- und Wirtschaftsgut.
Über Jahre hat sich in der Software Branche eine Praxis etabliert, die zu einer Privilegierung der Softwarehersteller geführt hat, wie ich sie aus keiner anderen Branche kenne. Auch aus dem Oracle-Plädoyer in der BGH-Verhandlung wurde sehr klar deutlich, dass es Oracle hier primär um den Schutz seiner wirtschaftlichen Pfründe geht. Obwohl die großen Softwarehersteller wie Oracle, Microsoft oder Adobe in ihren jeweiligen Gebieten ohnehin schon Monopolstellungen genießen, versuchen sie darüber hinaus noch ihre besondere Schutzwürdigkeit zu rechtfertigen. Dass sie sich damit vor Marktmechanismen schützen wollen, die für jedes andere Unternehmen in jeder anderen Branche ganz normal sind, wird auch den Richtern nicht entgangen sein"
Aber ein Argument der Hersteller lautet – vereinfacht ausgedrückt – doch, dass die Kontrolle des Handels nötig sei, um Missbrauch und Urheberrechtsverletzungen zu verhindern.
Thomas Huth: Der Handel mit 'gebrauchter' Software könnte sehr einfach sein, wenn es den Herstellern tatsächlich nur um die Verhinderung von Missbrauch ginge. Denn den wollen wir genauso wenig! Das Missbrauchsargument ist sowieso völlig paradox. Was hindert die Nutzer denn zurzeit daran, online vertriebene Software unerlaubt zu kopieren? Warum sollte die Bereitschaft der Nutzer, sich unrechtmäßig zu verhalten, steigen, wenn der Weiterverkauf zulässig ist? An der viel beschworenen Nachweisschwierigkeit kann es jedenfalls nicht liegen. Schließlich erhält der Erwerber von online ausgelieferter Software vom Hersteller auch lediglich einen Lieferschein und eine Rechnung. Unsere Kunden bekommen identische Papiere. Verliert ein Kunde diese Nachweise, kann sich der Ersterwerber schon jetzt nur schwierig gegenüber dem Hersteller legitimieren. Das nehmen die Hersteller jedoch gerne in Kauf und steigern ihren Online-Vertrieb ständig.
Ich persönlich gehe sogar davon aus, dass ein liberalisierter 'Gebraucht'-Softwaremarkt Missbrauch verhindert. Er entspricht dem Rechtsempfinden der Marktteilnehmer und führt in Einzelfällen sogar dazu, dass bestimmte Softwareprodukte erschwinglich legal zu erwerben sind."