Zeitpunkt und Orte der Anschläge waren gezielt ausgewählt: Mitten im Berufsverkehr, an zentralen Punkten im Moskauer U-Bahnnetz haben sich zwei Frauen in die Luft gesprengt und mindestens 36 Menschen mit in den Tod gerissen. Dutzende Fahrgäste wurden verletzt. Ein weiterer Sprengsatz an der Haltestelle Kulturpark konnte entschärft werden.

Von Christina Nagel, ARD-Hörfunkstudio Moskau

38 Tote und mindestens 70 Verletzte, von denen einige noch in Lebensgefahr schweben - das ist die bisherige Bilanz der Anschläge auf die Metro mitten im Zentrum von Moskau.
Die Behörden gehen von gezielten Terroranschlägen aus. Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow erklärte am Vormittag: "Nach ersten Angaben, die wir jetzt vom russischen Geheimdienst bekommen haben, steht fest, dass es zwei Selbstmordattentäterinnen waren." Der russische Geheimdienst FSB bestätigte, dass beide Frauen nach ein und demselben Muster vorgegingen: Sie hatten die Sprengsätze in dem Moment gezündet, als die Züge in den Stationen hielten und die Türen geöffnet wurden. Die schrapnellartigen Sprengsätze verletzten und töteten so nicht nur Menschen in den Waggons, sondern auch auf den Bahnsteigen.

Ort und Zeit der Anschläge gezielt ausgewählt

Die Täterinnen hatten bewusst eine Zeit gewählt, in der viele Pendler unterwegs sind. Millionen von Menschen nutzen die U-Bahn, um zur Arbeit zu kommen. Auch die Wahl der Stationen war offensichtlich nicht zufällig: An der Metrostation Lubjanka, wo gegen kurz vor 8.00 Uhr Ortszeit der erste Sprengsatz explodierte, befindet sich die Zentrale des russischen Geheimdienstes. Die Metrostation Kulturpark liegt an der Ringlinie und ist ein wichtiger Umsteigepunkt, wo sich gerade an einem Montagmorgen viele Menschen aufhalten.

"Niemand sagte uns, dass wir uns in Sicherheit bringen sollten"



Rettungskräfte an der Station Kulturpark: "Die Leute haben schrecklich geschrien."

Ein Augenzeuge warf den Behörden in einer Internet-Botschaft vor, nicht rechtzeitig vor dem zweiten Anschlag reagiert zu haben: "Alles hat angefangen, als ich in der Station 'Lenin-Bibliothek' den Zug bestiegen habe. Es wurde erklärt, der Zug habe Verspätung. Aber niemand sagte, dass wir uns in Sicherheit bringen müssen, dass die Züge nicht mehr fahren sollen, dass man lieber Busse und Straßenbahnen nehmen soll. An der Metrostation 'Kropotkinskaja' standen wir zehn Minuten lang. Vor dem 'Kulturpark' standen wir fünf Minuten im Tunnel. Dann fuhren wir ein. Und entweder im ersten oder im zweiten Waggon gab es eine Explosion. Ich habe die Vibration gespürt. Die Explosion war laut, es gab viel Rauch. Kurz darauf war alles voll vom Rauch. Und die Leute haben schrecklich geschrien."
Die Moskauer reagieren geschockt. Vieles erinnert an das Jahr 2004, als sich eine Selbstmordattentäterin in die Luft sprengte und 40 Fahrgäste mit in den Tod riss. Die Spur führte damals in den Nord-Kaukasus.

Selbstmordattentäterinnen aus dem Kaukasus?


Auch dieses Mal wird nicht ausgeschlossen, dass es sich bei den Täterinnen um Witwen getöteter Kämpfer aus den Unruhe-Regionen Dagestan, Inguschetien oder Tschetschenien handeln könnte. Die russischen Sicherheitskräfte hatten dort zuletzt zahlreiche Anti-Terror-Operationen durchgeführt. Dabei waren auch maßgebliche Führer der Untergrundkämpfer getötet worden. Die Rebellen hatten Rache geschworen. Die Moskauer Behörden riefen die Menschen zu erhöhter Wachsamkeit auf. Die Sicherheitsvorkehrungen wurden verschärft.

Plan der Moskauer Metro: Die Haltestellen Lubjanka und Kulturpark liegen auf der "roten Linie".

Die Moskauer Metro:

Die Moskauer U-Bahn gilt als die schönste der Welt und ist das Hauptverkehrsmittel in der russischen Hauptstadt. Sie wird täglich von bis zu neun Millionen Menschen genutzt. Das Schienennetz umfasst rund 300 Kilometer. Mehr als 180 Stationen befinden sich im Stadtgebiet und sind häufig prunkvoll mit Lüstern, Reliefs und Statuen verziert. Die jetzt von den Anschlägen betroffene rote Linie ist eine der zentralen Strecken durchs Stadtzentrum.

Bereits 2004 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der Metro in die Luft und riss 40 Fahrgäste mit in den Tod. Es soll sich damals um einen Rebellen aus dem Nordkaukasus gehandelt haben.


Quelle: Tagesschau.de