Echte Küsse sind besser als ein Chat im Internet. Mit solch kleinen Provokationen will das Land Berlin Kinder und Jugendliche künftig vom Computer weglocken. "Update your life" (Aktualisiere dein Leben) heißt die Kampagne, die ohne erhobenen Zeigefinger auf die Gefahren von Internet-Sucht aufmerksam machen will. Die Kampagne richtet sich an Kinder und Jugendliche, aber auch an verzweifelte Eltern, die ihren Nachwuchs nicht mehr von Computer und Spielkonsole wegbekommen. Auf Postkarten steht deshalb die Aufforderung: "Klink Dich nicht aus". Gemeint ist das echte Leben.

Nach Experteneinschätzungen und Umfragen erliegen vor allem Jungen und junge Männer den Reizen der virtuellen Welten. Jeder vierte Junge verbringt danach inzwischen jeden Tag in seiner Freizeit mehr als 4,5 Stunden im Internet. Das ist ein Wert, den Kerstin Jüngling, Leiterin der Fachstelle für Suchtprävention , für sehr bedenklich hält. "Das ist viel Zeit neben Schule, Sport und Freunden", sagt sie. Das "echte" Leben werde dabei vernachlässigt. Mädchen zieht das Internet deutlich weniger an.

Virtuelle Welten sind ohne Zweifel attraktiv. Es gibt rund um die Uhr Musik, Videos, Online-Spiele, Chatrooms und soziale Netzwerke. Wer sich dort einklinkt, kann sich selbst darstellen und Bestätigung erfahren. Widerspruch gibt es seltener als "draußen". Richtig "echt" sind die vielen Freunde im Internet auch nicht. Man kennt sich oft nur so vom Tippen.

Vermiesen wollen die Macher der Kampagne das Internet nicht. "Es geht darum, dass Menschen sich nicht von dem neuen Medium vereinnahmen lassen", sagte Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) am Mittwoch. Bei vielen Eltern sei die Unsicherheit hoch, ob die Computernutzung ihrer Kinder noch normal ist - oder bedenklich. Bei 3 bis 13 Prozent der Deutschen vermuten Experten inzwischen eine Internet-Sucht, die krank machen kann. Betroffene schlafen zum Beispiel schlecht und ernähren sich falsch. Sie sind blass, reizbar, lustlos und weniger leistungsfähig. Sie gehen selten aus dem Haus und pflegen kaum noch Kontakte zu anderen Menschen.

Berlins Drogenbeauftragte Christine Köhler-Azara empfiehlt Eltern, sich über die Anzeichen von Internetsucht zu informieren und bei ihren Kindern die Zeiten am Computer fest zu begrenzen. "So etwas kann man verhandeln", sagte sie. Voraussetzung sei, dass die Eltern das Verbot begründen, Freizeitaktivitäten "draußen" vorschlagen und selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Computer gehörten auch nicht ins Kinderzimmer.

Die Kampagne soll Kinder und Jugendliche über Schülerzeitungen erreichen. Für Eltern bietet die Suchtberatung Kurse über das Phänomen Internetsucht an. (dpa) / (pmz)

Quelle: Heise.de