Viel Kritik am FDP-Kompromissvorschlag zur Vorratsdatenspeicherung
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat sich mit ihrem Vorstoß für ein Modell "Quick Freeze Plus" mit einer siebentägigen Speicherung von IP-Adressen erwartungsgemäß zwischen alle Stühle gesetzt. Das Eckpunktepapier (PDF-Datei) zur "Sicherung vorhandener Verkehrsdaten und Gewährleistung von Bestandsdatenauskünften im Internet" greife zu kurz, erklärte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums laut dpa. Ressortchef Thomas de Maizière (CDU) sei aber diskussionsbereit.
Ein Sprecher der Bundesjustizministerin verteidigte den Vorschlag derweil gegenüber heise online. Darin werde eine klare "rote Linie" aufgezeichnet, die eine Verknüpfung unterschiedlicher Datenarten verhindere. So müssten etwa Anhaltspunkte zur E-Mail-Kommunikation oder Verbindungs- und Standortdaten, die beim Telefonieren anfallen, nicht sieben Tage lang von den Providern aufbewahrt werden. Hier bleibe die Initiative auch hinter dem Vorstoß des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar für Quick Freeze Plus zurück. In den Eckpunkten selbst heißt es, dass mit dem Verfahren die von Karlsruhe nicht beanstandete Auskunft über Bestandsdaten wie Name und Adresse von Kunden gewährleistet werden solle. Dabei teile ein Zugangsanbieter mit, welchem Teilnehmer eine bestimmte, einer Polizeibehörde bereits bekannte IP-Adresse zu einem gewissen Zeitpunkt zugewiesen gewesen sei. In Kreisen der FDP-Bundestagsfraktion wird der Vorschlag als "geeignete Diskussionsgrundlage" erachtet.
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, betonte gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger, dass die Union den Vorschlag "so mit ziemlicher Sicherheit nicht übernehmen" werde. Das Einfrieren von Verbindungs- und Standortdaten funktioniere nicht. Man gewinne dabei nicht genügend Informationen, um einen Sachverhalt aufklären zu können. Der Bundesvorstand der CDU hatte zuletzt am Wochenende im Rahmen einer "Mainzer Erklärung" (PDF-Datei) gefordert, die Vorratsdatenspeicherung "zügig" zu ermöglichen. Der Terrorismus müsse auch in Zukunft "mit einem starken Staat" bekämpft werden. Anfang des Jahres hatte sich bereits die CSU dafür eingesetzt.
Teilen der Opposition, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Bürgerrechtlern geht der Vorschlag der FDP-Politikerin zu weit. Die Justizministerin sei "umgekippt", monierte etwa Konstantin von Notz, Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen für Netz- und Innenpolitik. Die Liberale habe offenbar dem Druck aus den konservativen Reihen nicht standhalten können. Ihr Kompromissvorschlag komme einem "Paradigmenwechsel" gleich. Obwohl die vorgeschlagene Speicherfrist kurz sei und sich allein auf die IP-Adresse beziehe, wende sich die Ministerin von der generellen rechtsstaatlichen Unschuldsvermutung ab. Sie verabschiede sich von ihrem Bekenntnis gegen die Vorratsdatenspeicherung, ergänzte Malte Spitz vom Bundesvorstand der Grünen. Leutheusser-Schnarrenberger bereite "in vorauseilendem Gehorsam" einen Kompromiss mit der Union "auf Kosten der Bürgerrechte" vor.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) zeigte sich den Plänen der Justizministerin gegenüber ebenfalls skeptisch. "Das wäre eine Vorratsdatenspeicherung light", bemängelte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. Es bleibe bei ähnlichen Problemen wie bei der "Vorgängerversion", die das Bundesverfassungsgericht gekippt habe. Der Informantenschutz werde mit der Initiative keineswegs gewährleistet.
Mit "Unverständnis und Bestürzen" reagierte der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung auf den Schritt Leutheusser-Schnarrenbergers. In einem offenen Brief (PDF-Datei) appellierte er an die Ministerin, "die Idee einer einwöchigen Vorratsspeicherung aller Internetverbindungen aufzugeben". Es würde "völlig unverhältnismäßig" in die Freiheitsrechte eingegriffen. Ohne Verdachtsmoment dürfe es keine Überwachung von Bürgern geben. Alle Statistiken belegten, dass eine Vorratsdatenspeicherung keinen Zuwachs an Sicherheit vor Kriminalität bedeute. Der Arbeitskreis hat "Korrekturvorlagen" für die Beschlüsse von CDU und CSU zur Protokollierung von Nutzerspuren online bereit gestellt. Besorgte Surfer sollten diese an die Unionsabgeordneten ihres Bundeslands als Protestnote schicken. (Stefan Krempl) / (anw)
Quelle: Heise.de