Wer einige Tage lang eine Spielemesse wie die am Sonntag beendete Kölner Gamescom durchstreift, für den verschwimmen die vielen möglichst marktgerecht und zielgruppenoptimiert angelegten Produkte der Spieleindustrie irgendwann miteinander zu einem bunten Brei aus Echtzeitstrategie, Simulationen, Shootern, Rollenspielen und Adventures. Manchmal findet man jedoch ganz unverhofft etwas, das gar nicht ins übliche Raster passt.


Das gilt etwa für Shah Mat (Persisch für "der König ist hilflos" oder übertragen "Schachmatt"), ein Spielprojekt, für das es bislang noch keinen Publisher und somit auch noch keinen Veröffentlichungstermin gibt. Am Rande der ESL Intel Gamezone in Halle 9 der Gamescom zeigten einige der stolzen Schöpfer das Spiel und ernteten damit viel Respekt bei Spielefans wie auch Fachbesuchern.
Von der Grundidee her ist Shah Mat ein Action-Schachspiel. Das bedeutet, es gibt ein (sehr gediegen dargestelltes) Schachbrett, die üblichen Schachregeln und zweimal sechzehn Figuren. Als Schachfiguren dienen sehr fein modellierte griechische und römische Krieger.


Shah Mat lässt Schachfiguren lebendig werden: Auf hübsch gestalteten Duell-Terrains entscheiden Echtzeit-Kämpfe darüber, wer wen schlägt.
Bild: Owl Games

Allerdings wird anders als beim gewöhnlichen Schachspiel nicht einfach geschlagen, wenn man auf ein Feld gelangt, das von einer gegnerischen Figur besetzt wird. Vielmehr öffnet sich dann eine von mehreren dreidimensional angelegten, in Schrägdraufsicht dargestellten Kampfarenen, in denen die beiden Figuren nun in Echtzeit die Sache miteinander austragen müssen, direkt gesteuert vom Spieler gegen den Computer oder von zwei Spielern gegeneinander. Wer von beiden auf dem Feld bleibt, entscheidet sich durch diesen Kampf.


Ein Hauch von Rollenspiel: Charakterwerte geben Auskunft über Schlagkraft, Verteidigung, Schnelligkeit und Gesundheitszustand der Figuren. Eine bessere Rüstung macht einen Kämpfer widerstandsfähiger.
Bild: Owl Games

Damit das Ganze dennoch strategisch reizvoll bleibt, hängen die Chancen der Kontrahenten in den Echtzeitduellen sowohl von der Situation auf dem Schachbrett als auch von der jeweiligen Art und Ausrüstung der kämpfenden Figuren ab. An dieser Stelle kommt eine kräftige Portion Rollenspiel mit hinein: König, Dame, Läufer, Springer, Turm und Bauern bilden gewissermaßen Charakterklassen. Damen besitzen gute Fernkampf-Fähigkeiten. Ein Punktesystem erlaubt es, Fähigkeiten einzelner Figuren aufzuwerten. Ein detailliertes Waffen- und Rüstungskonzept beeinflusst die Duellchancen, so verbessert etwa eine stabile Rüstung die Widerstandskraft einer Figur.
Hinter Owl Games, wie sich das Entwicklerteam nennt, steckt eine Gruppe von Studierenden eines Seminars an der Universität Paderborn. Die Initialzündung gab im Rahmen dieses Seminars Jörg Müller-Lietzkow, Professor für Medienorganisation und Mediensysteme. Anfangs waren siebzig Personen an der Entwicklung des in C# für Windows geschriebenen Programms und dem Design der aufwendigen Grafikmodelle beteiligt. Bis kurz vor der Messe haben noch zirka 50 fieberhaft daran gearbeitet, die dort gezeigte zu rund 75 Prozent fertige, aber bereits ziemlich stabil laufende Version auf die Beine zu stellen. Insgesamt, so heißt es, hätten wohl 80 Leute mitgemacht. Nun sucht man nach einem Publisher, der die professionelle Vermarktung des originellen Spiels übernimmt.

Wer sich beim Betrachten von Shah Mat an das Kult-Heimcomputerspiel Archon aus dem Jahr 1983 erinnert fühlt, der liegt durchaus nicht falsch: Die Echtzeitkämpfe mit Einfluss der Positionen auf einem Spielbrett, die unterschiedlichen Kampfweisen der Figuren, die eingeblendeten Stärkebalken und manches andere gab es bereits in diesem Zwei-Spieler-Meisterstück von Jon Freeman und Paul Reiche III. Die Schöpfer von Shah Mat haben dieses tatsächlich als Inspiration genutzt, allerdings betonen sie, dass ihr Spiel zugleich auch ein "richtiges" Schachspiel ist. Die Regelbesonderheiten gegenüber dem klassischen königlichen Spiel halten sich in Grenzen: So gibt es etwa keinen Zugzwang, wenn ein König im Schach steht, und auch keine Schachmatt-Situation, denn der König kann und muss sich gegebenenfalls im Duell in der Arena zur Wehr setzen. (psz/c't)

Quelle: Heise.de