Die Post stellt am Donnerstag (23.07.09) in Bonn ihr Konzept für einen sicheren digitalen Briefverkehr vor. Ausgerechnet die Bundesregierung ist dabei ihr größter Konkurrent: Das Innenministerium lässt seine "De-Mail" bereits ab Herbst in Friedrichshafen testen.
Briefverkehr soll digitalisiert werden
Der Postbote mag als Relikt vergangener Tage erscheinen. Aber noch sind Brief, Postkarte und Einschreiben in Deutschland die gängigen Wege, persönliche Mitteilungen, Geschäftliches oder amtliche Dokumente zu übermitteln. Zwar erledigen viele Unternehmen und auch Privatpersonen bereits teilweise ihre Korrespondenz via E-Mail. Doch das digitale Datennetz bietet bislang noch zu geringe Sicherheitsstandards, um einen vollständigen Umstieg zu ermöglichen. Vor allem im Falle einer juristischen Auseinandersetzung gilt vor Gericht nur ein greifbares Schriftstück als Beweis.
"Ähnliche Anmutung wie herkömmliche E-Mail"
Das soll sich ab 2010 ändern. Die Post plant die Einführung eines so genannten Online-Briefes, der die Seriosität des herkömmlichen Briefes mit der Schnelligkeit der E-Mail vereinen soll. Jürgen Gerdes, Leiter der Briefstelle, stellt das Konzept am Donnerstag auf der Halbjahres-Pressekonferenz des Konzerns offiziell vor. Das neue digitale Schriftstück werde "eine ähnliche Anmutung wie die herkömmliche E-Mail" haben, erläutert Post-Sprecher Uwe Bensien. "Verschickt werden kann es nur von einem registrierten Personenkreis." Konkret bedeutet das: Wer seine Briefe künftig sicher auf digitalem Wege verschicken will, muss bei der Post seinen Personalausweises vorlegen und sich mit vollem Namen anmelden. "Nicknames, die keinen Rückschluss auf die Person zulassen, sind dann nicht mehr möglich", sagt Bensien. Dadurch sollen vor allem Spam-Mails und Nachrichten unter falschem Namen verhindert werden.
Die Post reagiert mit der Neuerung auf die stetig sinkenden Zahlen im herkömmlichen Zustellungsgeschäft. "Die Quote sinkt seit geraumer Zeit um zwei Prozent pro Jahr", sagt Bensien und ergänzt: "Natürlich wird der physische Brief nach 500 Jahren Erfolgsgeschichte nicht einfach so verschwinden. Aber die Entwicklung hin zur digitalen Korrespondenz ist da. Wenn wir nicht darauf reagieren, macht es jemand anders."
"De-Mail" läuft über sämtliche gängigen Anbieter
Bundestag; Rechte: MauritiusBild vergrößern
Die Bundesregierung plant eigenes Konzept
Genau das ist allerdings schon passiert - die Post wird kein Monopol auf die digitale Briefübermittlung haben. Ihr Konkurrent ist ausgerechnet die Bundesregierung, die bereits seit geraumer Zeit ein ähnliches Konzept plant und kurz vor der endgültigen Umsetzung steht. Die "De-Mail", die im Innenministerium entworfen wurde, funktioniert ebenfalls nach dem Prinzip der persönlichen Anmeldung. Auch hier gehören Nicknames (Spitznamen) der Absender der Vergangenheit an. Nur registrierte Nutzer können einander schreiben. "Der Kunde meldet sich bei einem der gängigen Provider wie GMX oder Freemail an", erklärt Alexandra Pietsch, Sprecherin des Bundesinnenministeriums. "Würde ich mich beispielsweise registrieren lassen, lautet meine neue Adresse alexandra.pietsch[at]gmx.demail.de. Das neue System ist bereits fertig, und soll im Herbst in Friedrichshafen am Bodensee getestet werden. Dort nehmen lokale Unternehmen und öffentliche Behörden an einem mehrwöchigen Probelauf teil.
Post war ursprünglich am Regierungskonzept beteiligt
Hintergrund für das Engagement des Bundesinnenministeriums ist der immer lauter werdende Ruf der Wirtschaft nach einem sicheren digitalen Briefverkehr. "Momentan hat eine E-Mail den Sicherheitsstandard einer Postkarte", sagt Alexandra Pietsch. Deswegen waren anfangs auch namhafte Unternehmen in der zuständigen Projektgruppe vertreten - darunter die Post. Während der Verhandlungen kam es zum Bruch, woraufhin der Konzern einen Alleingang ankündigte. Welche Gründe die Unstimmigkeiten hatten, darüber schweigen beide Seiten. "Es hat der Post wahrscheinlich nicht gepasst, dass die Bundesregierung die üblichen Provider mit einbeziehen will", vermutet der Sprecher des Postkundenforums, Elmar Müller. Der Verband vertritt die Interessen von Postkunden. "Wir wollten das neue System so komplikationslos wie möglich gestalten", sagt die Sprecherin des Innenministeriums. "Deswegen ist es sinnvoll, den Kunden die Möglichkeit zu geben, mit ihren gewohnten Providern weiterzuarbeiten."
Nun muss sich zeigen, wer den digitalen Brief zuerst auf den Markt bringt. Die "De-Mail" muss noch den Bundestag passieren, was laut Alexandra Pietsch "aber eher eine Formsache" ist. Der Online -Brief der Post muss dagegen überhaupt erst klarere Gestalt annehmen. "Wie das System genau aussieht, steht noch nicht fest", sagt Uwe Bensien. Ein Markttest erfolge frühestens im letzten Quartal dieses Jahres.
Die Post glaubt an einen Erfolg
"Sicher ist, dass solche Systeme von den deutschen Unternehmen gewünscht sind", sagt Elmar Müller vom Postkundenforum. Insbesondere Finanzdienstleister und Versicherungen, aber auch Telekommunikationsunternehmen und Energielieferanten könnten durch den digitalen Brief viel Papier und damit auch Geld sparen. "In einer Brüsseler Arbeitsgruppe der EU-Kommission geht man mittlerweile davon aus, dass bereits 2029 knapp 60 Prozent der EU-Bevölkerung bei einem solchen System registriert sein werden", sagt Müller.
Die Post glaubt derweil an den Erfolg des Online-Briefes. "Unser Vorteil ist, dass wir ein Hybrid-System haben", sagt Bensien. "Bei uns kann auch an Personen geschrieben werden, die nicht registriert sind." Das heißt: Schreibt jemand einen Online -Brief an jemanden, der sich nicht für dieses System angemeldet hat, wird der Brief in herkömmlicher Form zugestellt. Das klingt zunächst nach einem guten Dienstleistungsgedanken, stellt sich auf den zweiten Blick aber als umständlich heraus. Stellt das System fest, dass der Empfänger nicht registriert ist, schickt es das digitale Schriftstück an eine Druckerei im Ort des Adressaten. Von dort soll es noch am gleichen Tag zugestellt werden. Von einem Postboten.
Von Sven Gantzkow
Quelle: WDR.de