Von Stephan Lüke

Deutschlands Studenten und Schüler wollen nicht länger schweigen. Sie beklagen marode Hörsäle, Studiengebühren, Turbo- und Zentralabitur und Kopfnoten. Von Montag (15.06.09) an wollen sie bundesweit eine Woche lang streiken.


Missstand überfüllte Hörsäle

Auch das bevölkerungsreichste Bundesland schwimmt auf der Protestwelle mit. "Wir wollen auf die Missstände im Bildungswesen hinweisen", sagt der Hochschul- und bildungspolitische Referent des Allgemeinen Studentenausschusses der Bochumer Uni, Martin Schmidt. Er spürt, dass dieser erste gemeinsame Streik Schüler und Studenten gleichermaßen motiviert. Seit Jahren wisse man in Deutschland, dass es schlecht um das Bildungswesen stehe. Doch stets werde die junge Generation mit dem Hinweis aufs fehlende Geld vertröstet. Schmidt: "Und dann sind plötzlich Milliarden für Banken vorhanden." Das stößt bei den Studenten und Schülern krumm auf: "Mit solchen Beträgen kann man das Bildungssystem komplett renovieren", sagt der Bochumer Studentenvertreter.

Studentenwerk zeigt Verständnis

Welcher Lehrer ab Montag vor einer leeren Klasse, welcher Dozent ohne Zuhörer im Hörsaal stehen wird, kann niemand exakt vorhersagen. In jeder Stadt, an jeder Uni und jeder Schule werden Aktionen abgestimmt. In Wuppertal, so viel steht fest, dürften selbst Streikunwillige am Montag vor verschlossenen Türen stehen. "Wir möchten niemanden das Studium erschweren, sondern dauerhaft erleichtern. Darum verschließen wir die Türen", heißt es im Streikaufruf.
Die Probleme deutscher Hochschulen spüren und kennen nicht nur die jungen Menschen. Entsprechend wohlwollend, ja unterstützend fällt die Haltung des Deutschen Studentenwerks (DSW) zum einwöchigen Ausstand, der von zahlreichen Diskussionsrunden, Konzerten und Protestmärschen geprägt wird, aus. "Die Studierenden haben allen Grund auf die Straße zu gehen", sagt DSW-Präsident Rolf Dobischat.

Bachelor in der Kritik



Der Bachelor steht in der Kritik

Die Forderungen der nordrhein-westfälischen Studenten decken sich in vielen Bereichen mit denen ihrer Kommilitonen anderer Bundesländer. Die Bachelor-Masterausbildung wird abgelehnt, weil der Bachelor keinen wirklichen universitären Abschluss darstelle. Außerdem bedauert Martin Schmidt: "Der Bachelor führt zu einer reinen Verschulung, wissenschaftliches Denken und Arbeiten ist nicht mehr gefragt." Ohnehin ziele vieles im Studium auf Auswendiglernen. Eigenständigkeit werde nicht gefördert.

Erfolg in Hessen macht Mut


Mehr Geld müsse in die Hand genommen werden, um die Zustände an den Hochschulen zu verbessern, sagen NRWs Akademiker von morgen. Sowohl, was den Zustand der Gebäude, die Zahl der Dozenten als auch die Qualität der Lehre anbetreffe. Sorgen machen sich die Studenten auch um das soziale Gefüge im Land. "Hochschulgebühren schließen zu viele Kinder weniger betuchter Eltern vom Studium aus. Darum müssen die Gebühren weg", fordert Schmidt. Mut macht ihm und den Streikenden die Erfahrung aus Hessen. "Hier ist es durch massive Proteste gelungen, die Politik zum Umdenken zu bewegen", erinnert der Hochschulreferent. Zufrieden stellt er fest: "Das kann dort selbst die neue CDU-FDP-Landesregierung nicht ändern."

Großdemo am Samstag in Düsseldorf


Auch Schüler wollen demonstrieren

Ihre Unzufriedenheit mit schulpolitischen Entscheidungen der Koalition in Düsseldorf werden die Schüler zum Ausdruck bringen. Sie gehen am Mittwoch (17.06.09) in verschiedenen Großstädten und dann am Samstag (20.06.09) ab 13 Uhr in Düsseldorf auf die Straße. Sie sind überzeugt: "Zentral- und Turboabitur führen dazu, dass kein umfassendes Wissen vermittelt wird, sondern gezielt auf Prüfungen zugeschnittene Inhalte unterrichtet werden", sagt Schmidt. Protest wird es auch gegen die Kopfnoten und die Schulstruktur geben. "Eine Schule für alle muss das Ziel sein", lautet ein weiteres Motto der Streikenden.

Unentschuldigte Fehlstunden drohen


Wie viele Schüler den Mut zum Streik aufbringen werden, ist ungewiss. Getreu der offiziellen Behördenmarschroute "drohen" viele NRW-Schulleiter mit dem Hinweis auf "unentschuldigte Fehlstunden". Manch einer von ihnen tut es mit einem Augenzwinkern. "Von der Schule wird keiner fliegen, der sich am Streik beteiligt und Unterricht versäumt", sagt ein Schulleiter hinter vorgehaltener Hand und fügt schmunzelnd hinzu: "Fragen Sie ihren Chef, ob Sie streiken dürfen?" Er gibt die Antwort selbst und hofft "ehrlich gesagt", dass viele seiner Gymnasiasten mitmachen, "weil nur durch Druck von unten die Politiker dazu bewegt werden können, endlich Bildung den Stellenwert einzuräumen, den sie ihr in Sonntagsreden zubilligen".

Quelle: WDR.de