Von nichts Geringerem als einer TV-Revolution sprachen Vertreter der Unternehmen Axel Springer Digital TV Guide und Aprico, als sie heute in Hamburg ihren Dienst "My Personal TV Digital" der Presse präsentierten. Dabei wirkt das, was die Philips-Tochter Aprico entwickelt hat und wofür der Axel Springer Verlag die Zulieferung der Daten und die Vermarktung übernimmt, zunächst wie eine gewöhnliche elektronische Programmzeitschrift (EPG). Tatsächlich bietet der Dienst aber eine recht außergewöhnliche Art der Personalisierung: Statt dem Anwender nur die Möglichkeit zu geben, programmübergreifend nach TV-Sendungen zu suchen und über die Trefferliste Aufnahmen zu planen, kann der Nutzer hier eigene virtuelle TV-Kanäle anlegen, die sich fortan wie gewöhnliche Fernsehkanäle anwählen lassen.

Zur Verdeutlichung sei einmal angenommen, ein Zuschauer ist Fan der Serie "Hör mal wer da hämmert". Hat er eine Folge in der Programmvorschau gefunden, kann er mit einem Knopfdruck einen eigenen "Hör-mal-wer-da-hämmert-Kanal" anlegen, der von dem Dienst bis auf weiteres automatisch mit den aktuell ausgestrahlten Folgen befüllt wird. Nun kann der Nutzer jederzeit seinen Kanal anwählen, worauf alle aufgezeichneten Episoden nacheinander wiedergegeben werden – gerade so, als sehe er tatsächlich einen entsprechenden TV-Kanal. Natürlich ist es möglich, die Wiedergabe zu unterbrechen oder eine Folge komplett zu überspringen. Über die vom Fernsehsender ausgestrahlte Werbung kann der Anwender hinwegspulen, das System zeichnet sie aber mit auf und gibt auch beim Überspringen dieser eher unbeliebten Passagen keine weitere Hilfestellung.

Der eigene TV-Kanal ist dabei nicht auf eine Serie beschränkt, sondern kann beispielsweise auch Sendungen eines Genres (beispielsweise Nachrichten oder Kochshows) erfassen. Weiterhin schlägt "My Personal TV Digital" dem Anwender auf Wunsch Sendungen vor, die ebenfalls dessen Geschmack treffen könnten und die sich auf Wunsch wiederum mit einem Knopfdruck in den eigenen TV-Kanal nehmen lassen. Das System nutzt bei allen diesen Funktionen die EPG-Daten der Springer-Programmzeitschrift TV Digital und nicht etwa die lückenhaften Informationen, die die Sender über den DVB-Datenstrom ausstrahlen. Daher sollen auch bei den Mitschnitten keine Doppler auftreten.

Die eigenen Kanäle können jedoch nicht nur mit Inhalten gefüllt werden, die die Fernsehsender verbreiten. Ebenso ist es möglich, einen über das Internet vertriebenen Video-Podcast zu abonnieren. Auch dessen Beiträge werden dann wie gewöhnliche Sendungen präsentiert. Nach Angaben der Entwickler soll der Anwender die Internet-Quelle frei wählen können; ein Breitbandanschluss ist ebenso wie eine Festplatte bei allen Empfängern mit "My Personal TV Digital" Pflicht.

Apropos Empfänger: Die für die Nutzung des Dienstes nötige Software soll ab November zunächst in Form eines Plug-ins für Rechner mit Windows Vista Media Center zum kostenlosen Download angeboten werden; zu einem späteren Zeitpunkt soll es auch eine eigenständige TV-Lösung für den PC geben. Natürlich wissen aber auch Springer und Aprico, dass Anwender, die über einen Media-Center-PC Fernsehen anschauen, lediglich eine Minderheit darstellen. Im kommenden Jahr sollen daher die ersten Unterhaltungselektronik-Geräte – primär DVB-Receiver und Fernseher mit Digital-TV-Empfänger – auf den Markt kommen, die diesen Dienst integriert haben. Konkrete Hersteller wurden in Hamburg jedoch noch nicht genannt.

Der Axel-Springer-Konzern hat sich nach eigenen Angaben für 20 Jahre an den Service gebunden und einen größeren siebenstelligen Betrag in den neuen Dienst investiert, der bereit einen zweijährigen Feldversuch in 120 Haushalten in Belgien, den Niederlanden und Deutschland hinter sich hat. Finanziert werden soll er durch Werbeeinnahmen; konkret werden dafür Werbeclips als (dezent markierte) Sendungen in den eigenen TV-Kanälen zwischen zwei aufgezeichneten Sendungen eingeflochten. Wer diese nicht sehen möchte, kann über sie hinwegspringen oder sie gar als unerwünscht markieren – wodurch er laut Aprico fortan mit Werbung für diese Produktgattung nicht mehr behelligt wird. Komplett deaktivieren lässt sich das Werbeangebot aber nicht.

Dafür soll mittels einer Analyse des Sehverhaltens dem Zuschauer aber exakt Werbung für die Produkte angeboten werden, für die er sich begeistern kann. Dies geht soweit, dass beispielsweise Autofans gleich einen ganzen Mercedes-Benz-Kanal abonnieren können. Aber auch die gewöhnlichen Werbeclips, die das System einbindet, sollen sich von den 30-Sekunden-Spots im gewöhnlichen TV abheben. Angedacht sind hier eher 30-minütige Clips, die von einem Unternehmen gesponsert wurden. So ist im oben angeführten Beispiel denkbar, dass die zwischen zwei "Hör mal wer da hämmert"-Folgen eine Heimwerkersendung auftaucht, die von einem Werkzeughersteller bezahlt wurde. Daneben sollen auf diesem Weg auch Fernsehsender neue Formate erst einmal testen können.

Da die Werbevideos auf die Platte gelangen müssen, dürften vor allem Empfänger für digitales Satelliten- und Kabel-TV mit dem neuen Dienst ausgestattet werden. Diese Übertragungswege erlauben es, auch größere Datenmengen neben den Fernsehsignalen zu übertragen. Die Internetverbindung wird wiederum nicht nur für Internet-Inhalte genutzt, sondern auch, um die Auswertungen, welche Werbeclips der Zuschauer angeschaut hat, zum Server des Dienstleisters zu übertragen. Springer und Aprico versicherten in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass keine Nutzungsprofile geschaffen würden, die einen Rückschluss auf die Identität des Nutzers zuließen. Man wisse lediglich, das da draußen eine Box sei, dessen Nutzer ein bestimmtes Nutzungsverhalten aufweise. Die IP-Adressen würden sofort nach der Auslieferung der Daten gelöscht.

"My Personal TV Digital" soll weltweit vermarktet werden – und tritt damit gegen den US-amerikanischen Videorecorder-Hersteller TiVo an, der in Zusammenarbeit mit Nero ebenfalls eine PC-Lösung anbieten will –, ab November zunächst in den USA und im kommenden Frühjahr auch in Europa. Springer und Aprico führen für sich ins Feld, die einfacher zu bedienende Lösung entwickelt zu haben, die für den Endverbraucher zudem noch kostenfrei ist. (nij/c't)

Quelle: Heise.de